Dienstag, 8. Juni 2010

Chemotherapie

Bei mir läuft jetzt seit vier Wochen die Chemotherapie. Die 3-Wochen-Zyklen starten mit drei stationären Tagen, die sich aus Kontrolluntersuchung (EKG, Blutbild, allgemein) sowie dem Hauptteil der Chemo zusammensetzen. Die Woche darauf ist ein ambulanter Vormittag im Krankenhaus am Programm. (Blutbild-Check plus zwei intravenöse Chemo-Medikamente) Dazwischen gibt´s (vor allem in der ersten Woche) daheim eine Latte Tabletten zu schlucken. (Cortison, Natulan, Magenschutz, Antibiotikum, ...)

Das ganze läuft bis jetzt recht gut. Irgendwie rechnet man damit, dass Nebenwirkungsmäßig irgendwas kommt, das überhaupt nicht gut ist. Das blieb bis jetzt aus. Während der drei jeweils stationären Tage ist der Bauch etwas eigenartig. Leichte Übelkeit, aber nicht´s das man nicht aushalten würde. Einhergehend kommt ein eigenartiger Geschmack im Mund, den ich beim ersten Zyklus noch als Bittermandelgeschmack beschrieben hätte, jetzt halt einfach als bissal komisch. Die Mundschleimhäute machen sich vor allem in der ersten Woche bemerkbar, beim ersten Zyklus war dann in der zweiten Woche der Hals kratzig. Mal schauen, ob das diesmal auch noch kommt. ;-)

Durch die Veränderungen im Mund schmecken mir saure Dinge tendenziell besser als süße Sachen. Nachdem mir aber ohnehin geraten wurde eiweißreich zu essen (Sportler der gewichtsmäßig eher an der unteren Grenze ist, soll während der Chemo zumindest nicht abnehmen) trifft sich das gut. Im Kühlschrank warten Hühnerfilets darauf gebraten zu werden, dazu wird´s Bratkartoffel gegeben, die ich gestern schon vorgekocht habe. Beim Einkauf fand sich dann noch Häupel grüner Salat, der heute mal mit Kürbiskernöl angerichtet wird. Falls dann noch immer Hunger bleiben sollte würden im Gefrierschrank auch noch ein paar Nougatknödel auf mich warten.

Wo ich vorher bei den Nebenwirkungen der Chemo war, die eigentlich nicht wirklich schlimm sind, so gibt´s doch noch eines aufzuzählen, das optisch am stärksten hervorsticht. Fast schon pünktlich zwei Wochen nach dem Start gingen die ersten Haare aus. Also mal mit dem Haartrimmer auf kurzer Stufe durchgegangen, damit ich nicht zu viel "Mist" in der Wohnung produziere. Knapp eine Woche später wollte ich die Restbehaarung waschen. Der Blick in die Dusche sprach mehr als tausend Worte. Der anschließende Blick in den Spiegel zeigt die ersten fast kahlen Flecken am Kopf. Somit etwas nach elf am Abend alleine in der Wohnung mich zum abrasieren der Reste durchgerungen. Wenn man das noch nie gemacht hat gar nicht so easy. Trimmer ohne Aufsatz --> haut nicht hin. Rasierer einfach so. --> Funkt auch nicht. Somit meinen ganzen Kopf mit Rasierschaum eingeschmiert und dann nochmal mit dem Rasierer mein Glück versucht. Das klappte dann ziemlich gut. Reicht zwar noch nicht für die fortgeschrittene Mitgliedschaft im Bruce-Willis-Club, als Aufnahmeprüfung hat´s aber gereicht. War echt happy, die Resthaare weitestgehend losgeworden zu sein ohne mich beim Rasieren geschnitten zu haben. Die Mitgliedschaft im Bruce-Willis-Club ist ohnehin zeitlich begrenzt. Mit Jahresende sollten die Haare auf meinen Kopf wieder zu wachsen beginnen. Angeblich sogar dichter als vorher, wobei ich bisher mit dem Bewuchs auch schon sehr zufrieden war. ;-)

Könnte noch bissal darüber schreiben, wie ich meine Tage derzeit so verbringe. Nachdem´s draußen warm bis heiß ist, stand ich heute um viertel nach sieben gut ausgeschlafen und erholt auf. Kurz ab ins Bad, Kopf mit Sonnencreme einschmieren, Fruchtschnitte und ein Glas trinken und raus. Von Sonja´s Wohnung nahe dem Pleschingersee mit den Nordic Walking - Stecken rauf auf Pfenningberg. Ist ein gemütlicher, großteils schattiger Wanderweg, bei dem man sich wie am tiefen Land fühlt, auf der anderene Seite aber auch tollen Blick auf Linz hat. Die Bauern mähen gerade das Heu, wodurch ein toller Duft in der Luft liegt. Gut geschützt durch einen großen "Wanderdeckel" (Kopfbedeckung) kann man auch die Passagen in der Morgensonne genießen. In den knapp zwei Stunden macht sich totales Wohlbefinden breit. Sind Dinge, für die man in unserem ansonsten hektischen Berufsalltag keine Zeit hat. Am liebsten wäre ich an einem schattigen Plätzchen des Pfenningbergs sitzen geblieben und hätte dort die Zeit stehen lassen.
Ganz ohne Zwänge geht´s dann aber doch nicht ab. Mein Morgen-Tablettenprogramm und die Spritze für die weißen Blutkörperchen warteten auf mich. War dann um halb zehn retour in der Wohnung. Kurz unter die Dusche und anschließend ausgiebiges Frühstück mit "Begleitprogramm". Danach lege ich mich meistens nochmal hin. Eine Stunde oder so... Der Körper ist damit beschäftigt, das "Begleitprogramm" aufzunehmen und zu verarbeiten.
Jetzt geht´s dann mal wie vorher schon beschrieben ans Mittagessen, dann mal schauen, was der Nachmittag noch bringt. Bissal MFT-Disk, bissal Bioswing, bissal Gymnastik dazwischen mal Pause am Sofa und vielleicht auf der Wii mit dem Princen von Persien spielen. Abwaschen und Wohnung kehren soll auch mal sein. Und falls mir danach ist, könnte ich mich ein, zwei Stunden ins Firmennetzwerk einklinken und leichtes Arbeitsprogramm machen. Könnte, ... mal schauen. :-)

Die Abendstunden so von sieben oder halb acht weg muss ich nochmal raus. Das einzige "muss". Gestern mit Sonja am Ufer des Pleschingersees gesessen, während die Sonne immer flacher wurde. Das Licht zunehmend gelblich. Ein paar Fischer die Karpfen aus dem Wasser angelten und eine Entenfamilien die vor uns ihren Flausch mit ihren Köpfchen sortierten.

Im Leben ist man immer wieder mit Situationen konfrontiert, in denen man sich fragt, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Denke, dass sich diese Frage auch mit der Diagnose Hodgkin/Krebs und Chemotherapie eindeutig beantworten lässt. Halb voll! Gefühlt deutlich mehr als halb voll!